Innovation?
Der Nachbericht zum Diskurs mit der Frage: Was muss sterben - was soll werden?

Ohne Innovation ist alles nichts. Wir müssen ständig erneuern, um Fortschritt möglich zu machen. Das gilt in der Wirtschaft genauso wie in der Gesellschaft. Ein zeitgemäßer Innovationsbegriff geht über rein technische Lösungen hinaus und schließt soziale, kulturelle und politische Neuerungen ein.

Allerdings ist nicht automatisch gut, was neu ist. Neben dem kontinuierlichen Innovationsprozess lohnt es sich auch die Überlegung zu stellen, was bewusst aus der Welt geschafft werden soll: unerwünschte Dinge, Technologien aber auch Verhaltens- und Handlungsweisen. Wie gehen wir mit altbekannten Prozessen um? Was müssen wir auch wieder „verlernen“? Wer soll diesen „Exnovationsprozess“ steuern? Diese Fragen stellten wir uns beim gesellschaftspolitischen Diskurs am 16. Oktober 2019 in der Generali Arena in Wien.

Das waren die Diskurse am Tisch

Im nachhaltigsten Fussballstadion Europas haben wir uns die Frage gestellt, was wir lernen und was wir vergessen müssen, um uns als Gesellschaft weiter zu entwickeln. Nachhaltigkeitsexperte Fred Luks, betonte in seiner Einführung, dass Fortschritt nicht nur ein „Schaffen“, sondern auch ein „Loslassen“ bedeutet – gerade auf Grund begrenzter Ressourcen. Drei Experten warfen im Anschluss unterschiedliche Perspektiven auf die nicht ganz einfach zu fassenden Themen „Innovation“ und „Exnovation“ in kurzen Impulsen.

„Wir müssen uns als Gesellschaft ausverhandeln, was wir unter Dingen verstehen.“, so Wolf Lotter, Journalist, Autor und Gründungsmitglied des Magazins brand eins. Er forderte mehr Verständnis für große Zusammenhänge, und das Wiederfinden einer gemeinsamen Sprache. Außerdem erinnerte er daran, dass jede technologische Innovation mit etwas Verzögerung zu einer sozialen Innovation führe, die von Anfang an mitgedacht werden müsse.

Barbara Inmann, Geschäftsführerin des Impact Hub Wien, stellte die These auf, dass nur durch gemeinsames Handeln und verteilte Machtsysteme große Innovationen herbeigeführt werden können. So könne Jeder und Jede sein oder ihr Wissen am besten einbringen. Für dieses gemeinsame Handeln brauche es ein Innovationsumfeld, das durch die entsprechende Bildung, Diskursräume und positive Anreize geschaffen werden müsse.

Hanno Burmester, Gründer von UNLEARN und Policy Fellow des Think Tanks Das Progressive Zentrum, sprach über einen Innovationsfetischismus der sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft vorherrscht. Was unsere Gesellschaft brauche, sei eine Transformation, also auch eine Änderung der Rahmenbedingungen. Für eine derartige Veränderung brauche es vor allem eine tiefgehende Reflexion auf Führungsebene.

An den Tischen stimmte der Großteil der zahlreichen TeilnehmerInnen darin überein, dass es Bereitschaft und Mut zur Veränderung braucht. Unterschiedliche Meinungen gab es allerdings in Bezug auf die Frage, welche Innovationen der letzten Jahre positiv zu werten sind. Die ständige Verfügbarkeit von Informationen und die damit einhergehenden Veränderungen wurden von den einen als Errungenschaft beschrieben, von anderen als großes Problem. Einig war man sich darin, dass die breite Bevölkerung stärker mitbestimmen sollte welche Innovationen gefördert werden und welche nicht. Diese Entscheidungen solle man Politik und Wirtschaft nicht alleine überlassen.

Das war die Kontroverse am Podium

Wo sonst der Fußball die Massen bewegt diskutierte ein hochkarätiges Podium unter der Moderation von KURIER-Redakteurin Elisabeth Mittendorfer darüber, welche Gesellschaft wir sein wollen.

Andreas Bierwirth, CEO von Magenta Telekom und Initiator des gemeinnützigen TUN Fonds stellte fest, dass man in Errungenschaften immer sowohl Positives als auch Negatives sehen könne. Die Digitalisierung werde unser Leben komplett verändern, deswegen müssten wir uns heute darüber Gedanken machen, wie wir als Gesellschaft zu dieser Veränderung stehen wollen, so Bierwirth. Gleichzeitig vermisse er in Österreich aber auch den Willen zur Zukunftsgestaltung und forderte dafür mehr Mut ein.

Dem fügte Wolf Lotter, Journalist, Autor und Gründungsmitglied des Magazins brand eins hinzu, dass unsere Gesellschaft dringend Inne halten müsse, um sich darüber klar zu werden, wohin wir uns bewegen wollen. Eine Rückkehr zu strategischem Denken sei von höchster Bedeutung für die Wissensgesellschaft. Nur wenn man sich darüber verständigt, was unter Innovation überhaupt zu verstehen sei, könne diese auch passieren, so Lotter. Außerdem betonte er die Wichtigkeit einer „Inventur“ und forderte mehr Reflexion.

Dem „Wahnsinn der Innovation“ müsse man mit Entspannung begegnen. Nur so können Neuerungen differenziert betrachtet werden. Wir müssen uns einen Denkprozess auferlegen, so Harry Gatterer, Trendforscher und Geschäftsführer des Zukunftsinstituts. Wir wüssten, dass die Zukunft kulturell konstruiert ist. Intensiver Austausch könne dabei helfen, unser Zukunftsbild zu definieren und zu gestalten.

Gudula Walterskirchen, Historikerin, Autorin und Publizistin, stellte fest, dass positive Veränderungen durch neue Technologien nur dann passieren können, wenn man auch bereit wäre, sich von alten Mustern zu verabschieden. Der Innovationsbegriff sei allerdings zu sehr auf Technologien beschränkt. Die großen Transformationen und Innovationen der Geschichte hätten Spuren in der Gesellschaft hinterlassen, die andauerten, auch als die dahinterstehenden Technologien schon lange überholt gewesen waren.

Der Experte für das Verlernen, Hanno Burmester, Gründer von UNLEARN und Policy Fellow des Think Tanks Das Progressive Zentrum, gab zu bedenken, dass hinter jeder technologischen Innovation eine Kultur stehe. Binäres Denken ließe uns Handlungsmuster entwickeln, aus denen wir schwer herauskämen. Es brauche genügend Zeit für Transformation, möchte man sich beispielsweise zu eine Fehlerkultur hinbewegen.

Den Live-Stream zu den Impulsvorträgen und die gesamte „Kontroverse am Podium“ können Sie wie immer auf Facebook nachsehen.

Impressionen

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